Die Rückkehr in die Heimat

17.-19. Woche, 4. - 20. September 2006
              Ich erlebte noch schöne14 Tage in Richmond bei meinem Bruder oder bei seiner Freundin in Concord. Ich fuhr noch einmal alleine und einmal mit Gerd nach San Francisco, besuchte mit ihm seine Gesangsvereine und ging des öfteren zu Partys bei Margarita und anderen Bekannten von Gerd.
Union Station Los Angeles Die Tage vergingen schnell und ich traf Vorbereitungen für den Rückflug. Bei einer Fahrt zu in einem Supermarkt fragte ich Gerd, um was für ein grosses Gebäude an der Strasse es sich handeln würde, das keine Fenster besass. Er meinte, dass es die neue Highschool von Richmond sei. Und warum keine Fenster? Die Kinder schlagen immer die Fenster ein und darum hatte der Architekt keine eingeplant, meinte er. "Was für eine Welt" dachte ich im stillen.

Am Dienstagmorgen, den 19. September 2006 fuhren wir um 4 Uhr zum Flughafen. Für den Transport meines lädierten Rades musste ich 90$ bezahlen. Mit dem E-Ticket in der Hand ging es durch diverse Sicherheitsschleusen zum Flugzeug, das rechtzeitig nach New York abhob. Eine Stewardess fragte mich, was ich denn trinken wolle. Ich sagte "red wine, please" und sie "5$". Wauu… das wird aber ein teurer Heimflug!!

In New York ging es nach der Landung erneut durch endlos scheinende Gänge zum Flugzeug, das mich weiter nach Zürich bringen sollte. In letzter Minute war ich im Flugzeug und sass, was sich im Laufe des Fluges herausstellte, neben einer Stewardess, die in die Nähe von München wollte. Gaby, so hiess sie, war schon 15 Jahre bei der Fluggesellschaft und hatte dadurch viele Freiflüge. Ständig war sie auf den Beinen, uns neue Weinfläschchen zu bringen. Plötzlich kam sie noch mit einer grossen Platte mit Käse und Obst. Ich glaube, sie machte Ihren Job gerne und musste ihn auch in ihrer Freizeit ausüben. Nach der 7. Flasche Rotwein konnte ich nicht mehr und war satt. Als Resümee: Ich hatte noch nie in meiner Flugkarriere einen so kurzweiligen Flug! Denn als ich die Augen zu machen wollte, wurde schon der Sinkflug eingeleitet.

Und nun noch was über amerikanische Klischees, was ich auf einer Internetseite las:

"Neulich waren wir mit dem Roller im kleinen Ort Bishop, Kalifornien, unterwegs und wurden von einer Polizeistreife nach bester amerikanischer Manier gestoppt. Hinter uns jaulte eine Sirene auf, die uns unmissverständlich zu verstehen gab: rechts ran, anhalten, Hände an den Lenker, Maul halten. Ich schwöre: das Aufjaulen dieser Sirene allein lässt Dich um mindestens 10 Zentimeter schrumpfen. Aus dem stattlichen Polizeiwagen stieg ein Sheriff heraus, als würde irgendwo hinter einem Gebüsch versteckt die Kamera von Roland Emmerich laufen: Kaugummi kauend, Spiegelbrille im Gesicht, ein furchterregendes Waffenarsenal um die Hüfte gebunden, O-Beine. Nach einer kurzen, formellen Begrüßung ging's in belehrendem Ton, der keinerlei Widerspruch zulässt, zur Sache. Folgende Vergehen wurden uns vorgeworfen:
  • unerlaubtes Fahren eines nicht in den USA registrierten motorisierten Gefährts
  • unerlaubtes Befahren des Pannenstreifens
  • unerlaubtes Befahren eines 45 mi/h Highways mit einem untermotorisierten Gefährt
  • unerlaubtes Unterwegssein ohne mitgeführtem Reisepass
Au Backe, schoss es uns instinktiv durch den Kopf! Natürlich hätten wir bei dem einen oder anderen Punkt vorsichtig Widerspruch anmelden können (z.B.: "Entschuldigen Sie, Herr Officer, aber wir hatten ja keine Ahnung, dass sich das Schild "speed limit: 45 mi/h" in dieser Region auf die minimale, und nicht auf die maximale Geschwindigkeit bezieht!"), aber das will sehr genau überlegt sein in einem Land, wo Uniformierte jeder Art einen Respekt geniessen, von der jede Politesse in der Leopoldstrasse nur träumen kann. Wir beugten uns statt dessen ehrfurchtsvoll dem Hüter des Gesetzes und wurden gönnerisch belohnt: Clint E. (ich nenn ihn jetzt mal so) zog sich in seinen Wagen zurück, sprach etwas in sein Funkgerät, machte Notizen, raufte sich die Haare, sprach noch mal ins Funkgerät und stieg schliesslich wieder aus, setzte eine strenge, aber versöhnliche Mine auf und meinte, er würde es diesmal bei einer mündlichen Verwarnung belassen, wir sollten in Zukunft zu unserer eigenen Sicherheit das Gesetzt befolgen und die Nationalhymne sollten wir auch auswendig lernen (nein, sagten sie nicht - hatten wir das nicht schon mal?). Dann wünschte er uns noch eine gute Reise und rauschte kaugummikauend in seinem Polizeischlitten davon.

Einmal abends am Lagerfeuer saßen wir mit zwei Deutschen zusammen und plauderten so über die USA, und einer meinte, dass sich auf seiner Reise durch dieses Land nach und nach alle Klischees als unzutreffend herausstellten. Dem stimme ich nur teilweise zu. Tatsächlich trifft gleichzeitig genau das Gegenteil zu: ich finde, viele dieser Klischees erfüllen sich nicht nur, sondern werden geradezu gepflegt von den Menschen hier:

Polizisten treten tatsächlich martialisch auf und tragen verspiegelte Sonnenbrillen, und genau so gefallen sie sich. Bedienungen sind tatsächlich gutgelaunt und stellen sich erst einmal mit Namen vor, ehe sie die Bestellung entgegennehmen. Der Nachbar auf dem Campingplatz ist tatsächlich leidenschaftlich patriotisch und erfrischend locker. Im Supermarkt an der Kasse werden Dir die Lebensmittel von einem Angestellten in Tüten verpackt, von dem man tatsächlich meinen könnte, es mache ihm Spass. An jeder Strassenecke röhrt tatsächlich ein bedrohlich aufgemotzter Pickup und Du kannst darauf wetten, dass der Besitzer einen Kinnbart trägt und wilde Tattoos seinen muskelbepackten Oberarm schmücken.

Das Leben hier scheint eine Bühne zu sein (wo sonst, wenn nicht in den USA, könnte ein Arnold Schwarzenegger eine solche politische Kariere hinlegen). Es folgt einem simplen Drehbuch, in dem jeder einzelne seine Rolle spielt und in dem sich die Welt als gut oder böse, richtig oder falsch, schön oder hässlich darstellt! Schwarz/Weiß ist die Devise, mit Grautönen scheint sich der Amerikaner nicht begnügen zu wollen. Einerseits nervt das manchmal gewaltig (eben dann z.B., wenn selbst die Politik solch einem einfach gestrickten Denkmuster folgt), andererseits schafft es diesen herrlich klaren, berechenbaren, unverkrampften Umgang miteinander. Ich glaube, in dem Masse, wie die Gesellschaft hier einen gewissen Hang zur Hysterie pflegt, pflegt der einzelne eine Leichtigkeit, von der wir uns gelegentlich etwas abschauen könnten".

Meine Reise durch die USA in den vergangenen Monaten ist so entspannt, sicher und reibungslos verlaufen. Ich erlebte grandiose Szenerien und unvergleichliche Naturspektakel. Ich begegnete Menschen, die gastfreundlich, herzlich und nicht selten rührend bemüht waren, ihr Land in einem besseren Licht darzustellen, als es im Augenblick von aussen wahrgenommen wird.

Kein Zweifel: Die USA ist ein großartiges, beneidenswertes Land. Seine Menschen sind trotz dieser übergeordneten Neigung zur Hysterie bemerkenswert optimistisch, mit einer geradezu instinktiv positiven Haltung zum Leben und seinen Möglichkeiten.