Die königlichen Nationalparks Kanadas

6. Woche, 19. - 25. Juni 2006
In dem Masse, wie sich das Land verändert, veränderten sich auch seine Menschen: sie fahren robustere Pick-Up's, tragen Hüte mit breiteren Krempen, werden raubeiniger und auch misstrauischer. Sie grüßen Dich nicht mehr mit einem freundlichen "how are you", sondern warten erst einmal ab, was von Dir kommt. Die robuste Dame an der Kasse des Generalstores von Prince George würdigt Dich keines Blickes, und Du fragst besser nicht, wo "organic soy milk with vanilla flavour" steht - sie bringt es fertig, und schmeißt Dich aus ihrem Laden. Draußen auf dem Parkplatz sitzt ein alter Veteran mit gigantischer Brille in seinem Dodge Ram, neben ihm ein gewaltiger Hund, dem Du in keinem Park beim joggen begegnen möchtest, und beide starren Dich irgendwie fassungslos an, als wäre Deine Haut grün … solchen Leuten begegnet man hier im rauen Nordkanada. Aber wehe, Du sprichst sie an - ein bescheidenes, freundliches "good day!" genügt - und Du hast es mit den warmherzigsten Menschen auf diesem Planeten zu tun: die Dame an der Kasse erzählt Dir, dass ihr gestern beim Feuerholz tragen ein Scheit auf den Zeh gefallen ist, und der Typ im Pick Up davon, dass er seit einem Jahr mit dem Trinken aufgehört hat und sein (inzwischen schwanzwedelnder) Hund an einem großen Tumor bald sterben wird. Dabei entblösst er seine untere Zahnreihe mit Lücken so groß wie die Ladefläche seines Trucks. Man muss sie einfach lieben, diese merkwürdigen, ehrlichen, gradlinigen Menschen in der weiten Prärie Kanadas.
 
       Am Montagmittag erreichte ich Prince George. Nachdem ich den Generalstore in Prince George leergekauft hatte, durchfuhr ich das Städtchen in flottem Tempo. Ich wollte noch rechtzeitig zwei Quadratmeter ebenen Boden am Fraser River für mein Zelt finden.

Durch meine Fahrt in südliche Richtung haben sich die Bäume in der letzten Woche doch beträchtlich herausgemausert und sind zu einer stattlichen Grösse herangewachsen. Auch hatte die Technik mich wieder im festen Griff. Starker Autoverkehr mit vielen Holztrucks raste erbarmungslos an mir vorbei. Die Ruhe hatte ein Ende!
 
       Zudem löste sich der Seitenstreifen in ein Nichts auf. Jetzt wurde es zunehmend gefährlicher auf meinem Fahrzeug Richtung Süden. In dem Getümmel von Fahrzeugen traf ich noch zwei Kölner, die eine kleine Rundtour auf dem Fahrrad unternahmen.
 
       Sie fragten mich, wann es denn endlich flach werden würde. Ich war über die Frage doch sehr erstaunt, denn ich fuhr schon seit beinahe zwei Stunden den Berg mit leichter Steigung hinauf. Die Jungs waren wohl müde! In der Ferne leuchtete mir der Mt. Robson (mit 3954m höchster Berg Britisch Columbiens) am Abend entgegen und ich suchte mir einen ebenen Platz, wo ich meine müden Knochen ausstrecken konnte.
 
       Endlich erreichte ich am Dienstag Nachmittag den Eingang zum Jasper Nationalpark und wurde zur Kasse gebeten. 18$ kostete der Spass für zwei Tage im Jasper- und Banff Nationalpark herum zu kurven.

Ich war über den Yellowheadpass (nach einem Indianer benannt) gefahren und ziemlich erschöpft. Obwohl man die Steigung kaum spürte, waren es über die lange Distanz doch etliche Höhenmeter. Die Strasse führte jetzt mehrheitlich in südliche Richtung über steile raue Abschnitte, die sich immer wieder auf Höhen von 1800 Metern hinaufzogen. Was für eine dramatische Szenerie umgab mich da: schneebedeckte Gipfel, endlose Wälder, kristallklare Flüsse und milchig türkisfarbene Bergseen - eine Sternstunde der Schöpfung.
 
       Eigentlich ist es verboten, in den Parks wild zu zelten. Doch ich war so müde und kaputt, dass ich es ausnützte als sich die Gelegenheit bot, unbemerkt im Gebüsch zu verschwinden. Direkt am Athabasca River wurde das Zelt aufgeschlagen und der zuvor in der Ortschaft Jasper gekaufte Fisch gekocht. Ich verbrachte trotz der Müdigkeit eine unruhige Nacht, denn es wurde mir schon Tage zuvor von einheimischen Kanadiern verkündet, dass sich in den Nationalparks sehr viele Bären herumtreiben. Ich wollte nicht schon wieder am Morgen von einem Bär belagert werden. Ich hatte Glück! In beiden Parks kam mir kein einziger der Gesellen zu Gesicht! Ich glaube die Parkverwaltung hat die Tiere eingefangen und in den hohen Norden verfrachtet. So haben sie keine Probleme mehr mit den Touristen, die die Tiere fütterten und sich ihnen zu sehr näherten. Manche Bären sollen nicht von der Strasse gewichen sein, bevor man ihnen etwas zu fressen gab. Zivilisation, wo führst du uns hin?
 
              Man hört die Athabasca-Wasserfälle förmlich rauschen.
Allmählich nimmt allerdings auch die Touristendichte zu. Vom kleinen Städtchen Jasper aus geht es auf dem Icefields Parkway durch die ganze Länge der Nationalparks Banff und Jasper. Diese 230 km werden gerne als die schönste Gebirgsstraße Kanadas gelobt, und tatsächlich ist sie über weite Strecken schlicht grandios. Ich fahre durch tiefe Wälder entlang wilder Bäche, steige schroffe Höhen empor und werde mit spektakulären Aussichten belohnt. Ich bin überwältigt von der dramatischen Schönheit dieser Bergwelt und weiss, dass die Canadian Rockies ein Highlight auf meiner Reise bleiben werden.
 
         Der Mittwoch war trübe, kühl und nur gelegentlich schaute die Sonne aus den dicken, grauen Wolken hervor. Heftiger Gegenwind verhinderte ein schnelles Vorankommen. "Bloss-weg-von-hier"-Wetter machte sich breit. Auf dem 2069m hohen Bow Pass wurde es auch nicht besser und der Wind peitschte mit erbarmungsloser Stärke weiter; und das meistens von vorne. Am Donnerstag stellte sich eine leichte Besserung der Wetterlage ein und am Sunwapta Pass mit 2030m Höhe war es dann doch nicht so bitter kalt. Ich bekam durch die Anstrengung immer stärker werdende Rückenschmerzen und Krämpfe in den Händen.
 

 
 
 
 
Banff Kickingpass   Am Freitag, den 23. Juni verliess ich den Jasper und Banff Nationalpark und erreichte bei Golden den Highway 1, der mich in die Nähe des Pazifiks bringen sollte. Doch zuerst ging es aufwärts zum Rogers-Pass. Nach dessen Überquerung wurde es warm, sehr warm! Diesen Pass hatte ich überhaupt nicht einkalkuliert und so kam ich ziemlich abgekämpft an meinem Schlafplatz an.

Bei dieser Gelegenheit muss ich noch schreiben, dass ich seit dem Verlassen von Lake Louise immer in der Nähe der Eisenbahnlinie Toronto-Vancouver entlang fuhr, auf der der bekannte "Canadian" sich von Ost nach West und umgekehrt durch tiefe Schluchten, endlose Wäldern und funkelnde Seen quält.
 
Zum Übernachten musste ich jetzt auf drei Dinge acht geben. Zum Ersten war es der Lärm der Bahn. Also so weit wie möglich Abstand halten von den Schienen. Dort war aber zum Zweiten der Fluss und zum Dritten auf der anderen Strassenseite der Berg. Also waren die Camping- möglichkeiten sehr eingeschränkt. So verbrachte ich meistens relativ lärmige Nächte an der ziemlich stark befahrenen Eisenbahnstrecke. Dazu muss ich noch die Ausmasse dieser Güterzüge erwähnen, die nachts an einem vorbei stöhnen. Ich machte mir einmal die Mühe als ich auf einer Brücke stand und zählte die Waggons, die unter mir vorbei zogen. Ich kam, nachdem drei Diesellokomotiven den Zug anführten, auf 138 Waggons und den Schluss bildete eine weitere Diesellok. Jeder kann sich vorstellen, dass beim Passieren eines solchen Zuges in der Nähe eines Zeltes jedes mal ein kleines Erdbeben ausgelöst wird.
 
  Rogerpass
 
Canadian Railway nähe Rogerpass
Aber jetzt zurück zum Rogers Pass. Folgendes steht bei Wikipedia über diesen Pass:
Der Rogers Pass ist ein Gebirgspass in den kanadischen Rocky Mountains. Er befindet sich auf einer Höhe von 1330 Metern in den Selkirk Mountains von British Columbia. Über ihn führt der Trans-Canada Highway, während die transkontinentale Eisenbahnstrecke der Canadian Pacific Railway (CPR) den Pass im Connaught-Tunnel und im Mount-Macdonald-Tunnel unterquert. Der Pass ist eine Abkürzung in einer großen Flussbiegung des Columbia River zwischen Revelstoke im Westen und Golden im Osten. Er wurde am 29. Mai 1881 durch Albert Bowman Rogers entdeckt, einem Geometer im Dienst der CPR.
 
Nach einer gewaltigen Abfahrt erreichte ich das von der Sonne aufgeheizte Tal des Columbia Rivers. In Revelstoke kaufte ich in einem relativ grossen Supermarkt ein. Mehrere Passanten, die mich für einen Exoten hielten, warnten mich vor der grossen Hitze. Schliesslich zeigte das Thermometer 37°C und nach Auskunft der Leute sollte es am Sonntag auf 39°C klettern. Ausserhalb von Revelstoke wurde auf einer leichten Anhöhe, ich hatte eine wunderschöne Sicht auf die Lichter der Stadt, gezeltet und zuvor, Seelachs mit Kartoffelpüree gegessen.
 
 
 
Kilometerstand nach 6 Wochen 4191km