So, nun bin ich also unterwegs. Nach langem Suchen im Atlas und Informationen sammeln im Internet habe ich mir meine Route entworfen und dabei allerlei Pläne geschmiedet und wieder verworfen. Am Velo wurde eine Generalinspektion durchgeführt und die verschlissenen Teile ersetzt. In Bern wurde auf der Deutschen Botschaft ein biometrischer Pass beantragt, um vereinfacht in die USA einreisen zu können.
....und dann kam er endlich, der Tag X..... es stellte sich eine bedrückende Leere bei mir ein. Keine rechte Freude über das was mich erwartet und keine Trauer was ich hinter mir lasse. Von nun an war ich auf mich alleine angewiesen, was auch nicht zu überschwänglichen Gefühlsausbrüchen führte. Soviel ist sicher: Der amerikanische Kontinent ist mächtig gross. Hier ein Beispiel: wenn ich in meinem Taschenkalender die Weltkarte aufschlage, das Lineal zwischen Anchorage und der Baja California ansetze, messe ich 9,2 cm. Das mag jetzt nicht allzu dramatisch rüberkommen, aber wenn ich auf der selben Karte ab Zürich Richtung Süden diese 9,2cm ansetze, lande ich im Grenzgebiet zwischen Botswana und Südafrika. Oha, wie hört sich das an? Was wird auf der langen Reise alles auf mich zukommen?
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Bei der Zwischenlandung in Minneapolis konnte ich, Böses ahnend, meine demolierte Velobox in Empfang nehmen und sie notdürftig zusammenkleben. Nach dem erneuten Einchecken ging es weiter nach Anchorage, das ich müde gegen 23 Uhr erreichte. Bevor ich mich in der Flughalle auf einer Bank zum schlafen niederlegte, wurde das Fahrrad zusammen montiert und die verbogenen Teile in ihre ursprüngliche Lage gebracht.
Der "Jetlag" zog mich in seinen Bann und nach öfterem Wenden auf der harten Bank (ich kam mir schon vor wie ein Hühnchen am Spiess) kreisten meine Gedanken über Alaska.
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Hier einige wissenswerte Details über das Land Alaska. Am 18. Oktober 1867 kaufte die USA Alaska von den Russen für schlappe 7,2 Mio. US$. 1959 fand die Konstituierung als 49. Bundesstaat statt. Heute leben ca. 640’000 Menschen hier (auf einer Fläche fast fünfmal so gross wie die Bundesrepublik), über die Hälfte davon in den drei grössten Städten Anchorage, Juneau und Fairbanks. Der Rest verliert sich in einer beispiellosen Wildnis, zwischen mächtigen Gebirgsformationen und gewaltigen Gletschern, arktischer Tundra und endlosen Wäldern. Ein grosses, wildes, menschenleeres Land also. Und ein Satz noch zum Wetter. Die höchste jemals gemessene Temperatur beträgt anständige 36 C (am Polarkreis!!) die niedrigste minus 62 C...! Eine recht abgelegene raue Ecke unseres Planeten erwartete mich also, eine intakte Urlandschaft, die reale Kulisse aus meiner Jack London Zeit.
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Um 6 Uhr dämmerte es und so fuhr ich nach der unruhigen Nacht in die City von Anchorage. Gäbe es eine Welthauptstadt der Raubeinigkeit, Anchorage - grösste Stadt Alaskas - stünde auf der Liste der Anwärter an ziemlich aussichtsreicher Position. Hier wird grimmiges Auftreten als heilige Tugend gepflegt, die geschätzte Servicefreundlichkeit ist in langen Wintern hier oben irgendwann elendig eingefroren.
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Nach dem Befragen grimmig dreinblickender Frühaufsteher erreichte ich schliesslich doch noch den Supermarkt. Im dazugehörenden Kaffee wurde eine “Cinnamonrolle” und ein grosser Kaffee an der Theke bestellt. Das Indianermädchen hinter dem Tresen mit verkaufsförderndem dunklerem Teint meinte es gut, wollte einen Deckel auf den Becher pressen. „Nicht nötig” sagte ich ihr. „ich werde ihn gleich trinken”. Worauf ihr Lächeln gefror und sie mit todernster Miene und strengem Ton aufklärte: das müsse sie tun, denn der Kaffee sei heiss, ich könne ihn verschütten, könnte mich verbrühen und das Kaffee verklagen.... Welcome to America!
Nachdem die Kommunikationsmöglichkeiten, wie Prepaycard, SMS und Internet auf dem Handy versagten, machte ich mich am 17. Mai ziemlich gefrustet auf den Weg in Richtung Fairbanks (HWY 3). Nach den ersten 87km bei starkem Verkehr, der Jetlag lag mir in den Knochen, zeltete ich das erste mal wieder im Grünen.
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